Die andere Seite
Merry-Go-Round (1961)

Viele Menschen neigen dazu, Comiczeichner und Karikaturisten allein in diese Schublade zu stecken, ohne auf den Gedanken zu kommen, dass ihr Werk noch ganz andere Aspekte haben könnte.

Seit 1959 fertigt William Van Horn Kunstwerke an, die nur für ihn selbst bestimmt sind und mit seinen kommerziellen Arbeiten nicht das Geringste zu tun haben. Es handelt sich dabei um Gemälde, Zeichnungen und Drucke. Bill hat nie versucht, sie auszustellen oder zu verkaufen. Tatsächlich haben nur drei Menschen jemals etwas von diesen Werken gesehen (außer seiner Familie natürlich). Aber sie waren ihm immer ebenso wichtig wie seine beruflichen Tätigkeiten.

Snail On Pedestal (2003)

Van Horn nennt dies: „über den Zaun springen“.

Auf der einen Seite des Zauns haben wir die Berufswelt mit ihren kommerziellen Zeichnungen. Hier gibt es Vorgaben, spezielle Anforderungen, die Notwendigkeit, auf das Publikum einzugehen, und so weiter.

Auf der anderen Seite des Zauns befindet sich das weite Wunderland, in dem alles möglich ist – wo Bill niemanden zufriedenzustellen braucht außer sich selber.

Dies war alles immer sehr privat. Aber nachdem unsere Fansite so viele Dinge beleuchtet, die Bill beruflich geschaffen hat, möchte er unsere Besucher nun sozusagen auch einen Blick auf „die andere Seite des Zauns“ werfen lassen.

Adrift (2006)

Van Horn wählte sorgfältig 182 Exponate aus etwas mehr als 800 Möglichkeiten aus. Man bemerkt leicht die große Lücke in den 80er- und 90erjahren. In dieser Zeit war Bill so sehr mit Comics und Kinderbüchern beschäftigt, dass an Privatgemälde in der knappen Freizeit nicht zu denken war. Im Jahr 2000 begann er jedoch das Arbeitsvolumen seiner Disneycomics zu verringern, um regelmäßig eine Auszeit fürs Malen nehmen zu können.

Es ist nicht leicht, William Van Horns private Gemälde stilistisch einzuordnen. Einige davon zeigen expressionistische und surrealistische Motive oder auch andere Stilrichtungen. Aber im Grunde interessiert Bill sich nicht sehr für solche Formfragen. Er selbst sieht seine Arbeiten als „mindscape“ – als direkten Ausdruck seiner Gedanken und Gefühle. Auf den ersten Blick wirken seine Kompositionen häufig eher schlicht, doch er versteht es, ihnen durch unerwartete Perspektivwechsel oder exakt platzierte Farbakzente enorme Tiefe zu verleihen.

Vielleicht werden künftige Kunstbücher dies als den ganz spezifischen „Van-Horn-Stil“ aufführen. Auf jeden Fall hätte Bill auch als professioneller Maler den Erfolg haben können, den er sich bereits als Comiczeichner erarbeitet hat.

 
Abbildungen © William Van Horn.
Bildrahmendesign: Joe Cilinceon. Verwendet mit freundlicher Genehmigung von Nightingail.
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